Fruchtbarkeitsprobleme beim Rindvieh kosten Zeit und Geld. Die Hintergründe dazu sind sehr vielfältig. Nach wie vor ist eine ungenügende Fruchtbarkeit der Hauptabgangsgrund beim Schweizer Milchvieh. Doch wo liegt die Ursache? Die mögliche Antwort dazu heisst: Phytohormone!
Ungleichgewichte durch Mais
Die Verfütterung von Mais hat sich in der Rinderhaltung etabliert, da Mais eine kostengünstige und energiereiche Futterquelle darstellt. Trotz seiner Vorteile gibt es jedoch Bedenken hinsichtlich der Auswirkungen von Mais auf die Fruchtbarkeit von Rindern. Die Nährstoffzusammensetzung von Grünmais und Maissilage unterscheidet sich nur geringfügig. Beide Futtermittel sind arm an Eiweiss und Kalzium und haben einen mittleren bis niedrigen Rohfasergehalt. Um eine wiederkäuergerechte Fütterung von Milchkühen zu gewährleisten, ist es notwendig, zusätzlich Raufutter in Form von Grassilage oder Heu zu verfüttern. Ein hoher Maisanteil in der Fütterung kann auch zu Leberschäden führen, insbesondere zu einer Verfettung der Leber. Hier sind besonders Kühe mit mehr als 200 Laktationstagen oder auch persistenzschwache Kühe gefährdet. Eine verlängerte Zwischenkalbezeit und Stoffwechselentgleisungen mit Fruchtbarkeitsproblemen in der Startphase sind die Folgen.
Trotz einer ansonsten ausgewogenen Fütterung kann die Verfütterung grosser Mengen Mais zu weiteren Problemen wie Zystenbildung, Brunstschwäche, Dauerbrunst, unregelmässige Brunstintervalle, vermehrter wässriger Vaginalschleim, Konzeptionsstörungen (tiefe Trächtigkeitsrate) und Aborten führen.
Warum passiert das?
Pflanzen enthalten sogenannte Phytohormone (Phytoöstrogene) die eine vergleichbare Wirkung wie die Hormone von Wiederkäuern entfalten können. Dabei handelt es sich um natürliche Bestandteile von Futterpflanzen, die das Pflanzenwachstum beeinflussen. Bei hohen Gehalten oder grossen Verzehrsmengen können sie besonders bei Milchkühen aber auch bei Schafen die Fruchtbarkeit negativ beeinflussen.
Chemisch unterscheiden sich diese Phytohormone zwar von den tierischen Hormonen (Steroiden), wirken aber an denselben Rezeptoren der Geschlechtsorgane. Fruchtbarkeitsstörungen durch Phytoöstrogene wurden nicht nur bei der Fütterung grosser Mengen Maissilage, sondern auch bei Luzerne, verschiedenen Kleesorten und Zuckerrübenblättern festgestellt. Der Gehalt an Phytoöstrogenen wird durch bestimmte Pflanzenarten, Sorten und durch Pilzbefall beeinflusst. Ein Pilzmycel, wie es in verschimmelter Silage vorkommt, kann ebenfalls Phytoöstrogene produzieren. Der Gehalt dieser Substanzen im Futter kann durch die Art der Futtergewinnung und -lagerung beeinflusst werden. Während der Phytoöstrogengehalt durch das Anwelken bei der Silage gesenkt wird, bleibt er bei künstlicher Trocknung erhalten.
Die Lebergesundheit im Fokus
Die Leber spielt eine zentrale Rolle im Stoffwechsel und ist besonders anfällig für Belastungen durch verschiedene Faktoren. Insbesondere in der Startphase kann die Leber doppelt belastet sein: Phytohormone müssen metabolisiert und entgiftet werden. Gleichzeitig führt die Ketose, eine häufige Stoffwechselstörung bei Milchkühen, zu einer erhöhten Produktion von Ketonkörpern. Die gleichzeitige Verarbeitung von Phytohormonen und Ketonkörpern kann die Leberfunktion erheblich beeinträchtigen. Oder anders formuliert, je stärker die Leber durch eine Ketose geschwächt ist, desto stärker ist der Effekt von Phytohormonen.
Ausschlussverfahren
Wenn andere Ursachen für Fruchtbarkeitsstörungen ausgeschlossen werden können, sollte versuchsweise der Maisanteil in der Ration reduziert werden. Mit dem Abklingen der Symptome kann jedoch erst nach mehreren Wochen gerechnet werden. Eine gesunde Leber kann einen Überschuss an Phytohormonen abbauen, sodass auch grössere Maisanteile in der Ration toleriert werden können.